Hoppe redet
HOPPE REDET ist der Podcast der strategischen Kommunikationsberaterin Nina Hoppe. Sie war Journalistin, hat in Unternehmen und PR Agenturen gearbeitet. Seit 2015 selbständig, konzentriert sie sich auf politische Kommunikation und hier vor allem die digitale Komponente. Sie ist ein hochpolitischer Mensch und politische Beobachterin. Sie tritt immer wieder für Analysen im TV oder wird von Printmedien für Gastkommentare angefragt. Mit HOPPE REDET startet sie ihren eigenen Analyse Podcast - ihrem grossen Vorbild Hugo Portisch nacheifernd.
Hoppe redet
Einblick ins EU-Budget: Dr. Johannes Hahn über Herausforderungen und Europas finanzielle Zukunft
In dieser Folge von "Hoppe redet europäisch" gewähre ich Ihnen exklusive Einblicke in die Mechanismen des EU-Budgets und beleuchten gemeinsam mit EU-Budgetkommissar Dr. Johannes Hahn die Herausforderungen, die sich aus der strengen Mittelzuweisung und dem begrenzten Spielraum für nichtplanbare Ereignisse wie Pandemie oder den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine ergeben. Entdecken Sie, wie die EU ohne die Aufnahme von Schulden auf die Beiträge der Mitgliedstaaten angewiesen ist, und erfahren Sie, welche Auswirkungen dies auf Länder wie Österreich und Deutschland hat.
Ich navigiere Sie durch das komplexe Budgetverfahren der Europäischen Union und erklären, wie die Beiträge der Mitgliedstaaten auf der Grundlage von Bevölkerung und Wirtschaftsleistung festgelegt werden. In unserem Dialog mit Dr. Hahn durchleuchten wir die Rolle der EU-Kommission bei der Verteilung der Mittel und diskutieren, wie neue Prioritäten wie der Green Deal und die Digitalisierung in den Finanzrahmen integriert werden. Außerdem werfen wir einen Blick auf die mühsamen Verhandlungen zwischen Kommission, Rat und Parlament und die zusätzlichen Herausforderungen durch ideologische und nationalpolitische Differenzen.
Schließlich sprechen wir über die zukünftige Gestaltung Europas und die tragende Rolle regionaler Kooperationen. beleuchten die Bedeutung der Mitbestimmung durch jede einzelne Stimme bei den Europawahlen. Verpassen Sie nicht diese aufschlussreiche Episode, die Ihnen die Augen dafür öffnet, wie tiefgreifend die politischen Entscheidungen auf europäischer Ebene unser aller Leben beeinflussen können.
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Hoppe redet - der neue Polit - Podcast.
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Website: www.ninahoppe.eu
Nur würde ich mir erwarten, dass wir uns gemeinsam mit der Frage beschäftigen was muss ich auf europäischer Ebene machen, angehen, tun, um etwa sicherzustellen, dass der European Way of Life, unsere Art des Lebensstandards, der Wohlfahrt gesichert ist, auch in einem zunehmend globalen Wettbewerb?
Speaker 2:In meiner heutigen Folge darf ich den EU-Budget-Kommissar begrüßen, Dr Johannes Hahn. Herzlichen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben.
Speaker 1:Sehr gerne ja.
Speaker 2:Herr Dr Hahn, sie sind ja einer der längst dienenden Kommissare, glaube ich, überhaupt der EU-Kommission. Es ist Ihre dritte Amtsperiode, wenngleich es nicht immer dasselbe Ressort war. Ich frage Sie aber jetzt als erstes in Ihrer Funktion als Budgetkommissar darf man das so sagen?
Speaker 1:Ist das überhaupt die korrekte Beschreibung? Die offizielle ist für Budget und Administration.
Speaker 2:Für Administration habe ich unter den Tisch fallen lassen. Aber was mich sehr interessieren würde in der Vorbereitung habe ich bemerkt es gibt also die Legislaturperiode, die jetzt endet, die also 2019 bis 2024 gedauert hat, und gleichzeitig gibt es den Finanzrahmen von 21 bis 27. Jetzt sage ich als Laie, ich würde sagen, ich bräuchte immer das Geld für die Zeit, in der ich für irgendetwas tätig bin. Warum ist das hier bei der Europäischen Union nicht so?
Speaker 1:Naja, im Vertrag von Lissabon, der quasi unsere Verfassung darstellt, ist festgehalten, dass es einen mehrjährigen Finanzrahmen geben soll, der zumindest fünf Jahre sein muss. Es gibt da keine besondere Regel, wie lange er sein soll. Es hat sich nur jetzt über mehrere Perioden herauskristallisiert, dass es sieben Jahre sind. Der Hintergrund der Mehrjährigkeit ist, dass wir hier die Möglichkeit schaffen, mehrjährige Programme auch umzusetzen, die eben auch den Empfängern dieser Mittel eine Garantie geben, dass die Mittel eben auch da sind. Und die sieben Jahre aus meiner Warte machen durchaus Sinn, weil ja auch die Verhandlungen, bis man dorthin kommt, zwei bis drei Jahre in Anspruch nimmt.
Speaker 1:Also, wenn ich zwei bis drei Jahre verhandle, dass ich dann ein Fünfjahresbudget habe, ist das nicht sehr effizient. Das, was ich ehrlich gesagt vermisse als Budgetkommissar, ist eine viel stärkere Flexibilität im Budget. Es ist so, wenn das Budget beschlossen wird für sieben Jahre, dann sind sprichwörtlich 99 Prozent, genau genommen 99,05 Prozent der Mittel schon bestimmten Programmen, bestimmten Ländern zugeordnet, Das heißt die Flexibilität, womit ich auf Ereignisse reagieren kann, Katastrophen, Kriege reagieren kann, katastrophen, kriege, inflation, was immer, energie, pandemie ist weniger als 10 Milliarden Euro, was für sieben Jahre für 27 Mitgliedstaaten zu wenig ist.
Speaker 1:Wir machen daher auch immer wieder Budgetumstrukturierungen, die aber recht mühsam sind. Es muss auch dazu gesagt werden in der Europäischen Union dürfen wir gemäß unserem Vertrag ja keine Schulden machen. Das heißt, wir müssen schauen, dass wir mit dem, was wir haben, das Auslangen finden, und das ist eine gewisse Schwierigkeit, dass sozusagen die Flexibilität des Budgets nicht so ist, wie ich mir das als Budgetkommissar logischerweise vorstelle.
Speaker 2:Und wie setzt sich jetzt so ein Budget zusammen? Gehen Sie da jetzt quasi es gibt ja auch daneben sozusagen das Jahresbudget, ist das der richtige Ausdruck? Gehen Sie da jetzt sozusagen, klappern Sie da immer die Finanzminister der Mitgliedsländer ab und sagen wir brauchen insgesamt ich sage jetzt eine Zahl 100 Milliarden, und Österreich du gibst mir diesmal davon 7 und Deutschland davon 70, um das in der Potenz zu nehmen, oder wie funktioniert, wie setzt sich so ein EU-Budget zusammen?
Speaker 1:wie kann man sich das vorstellen? Naja, das Gute eben an den sieben Jahren ist, dass es zwar langmächtig verhandelt wird, aber wenn es verhandelt ist, dann steht es. Wenn es verhandelt ist, dann steht es. Das Einjahresbudget ist ein Runterbrechen, dass man das nur in eine Relation setzt, weil es zirkuliert immer die Zahl 1,2 Billionen, also 1200 Milliarden. Das scheint gigantisch viel zu sein, ist aber eben für sieben Jahre. Das heißt, einjahresbudget ist im Schnitt 175 Milliarden. Das österreichische Budget ist da gegenwärtig etwas mehr als 120 Milliarden, also, wenn Sie so wollen, knapp 50 Prozent mehr als das österreichische Budget für 450 Millionen Menschen, österreichische Budget für 9 Millionen, zugegebenermaßen unterschiedliche Zuständigkeiten, aber das nur zur Illustration. Und von diesen rund 170, 175 Milliarden gehen zwei Drittel in die Landwirtschaft beziehungsweise in die Koalition, also das ist die Regionalförderung. Knapp sieben Prozent machen unsere Overheadkosten für alle EU-Institutionen aus, also Kommission, rat, parlament, gerichtshof, rechnungshof und so weiter, und der Rest ist eigentlich das klassische, wie ich es nenne, eu-budget.
Speaker 1:Mit dem man arbeiten kann, Naja, wo eben die Forschung darunter fällt, grenzschutz, wirtschaftsförderung etc. Und das ist die Struktur. Das Budget selbst speist sich eben zum überwiegenden Teil ungefähr 70 Prozent aus Beiträgen der Mitgliedstaaten, und der Rest ergibt sich aus Einkünften, wobei der größte Block Zolleinkünfte sind, dann ein gewisser Anteil an der Mehrwertsteuer und eine relativ neue Abgabe ist auf nicht rezipierbares Plastik, denn wir wollen mit solchen Abgaben auch das Konsumentenverhalten steuern, denn am Ende des Tages sollte es eigentlich kein rezipierbares Plastik geben, womit sich dann die Leute wieder Geld ersparen. Also das ist auch eine Überlegung, dass wir mit Abgaben Konsumentenverhalten beeinflussen wollen.
Speaker 2:So ein Nudging ein bisschen Insofern.
Speaker 1:was die Beiträge der Mitgliedstaaten anbelangt, so orientiert sich das an der Größe. Also, der österreichische Beitrag ist in der Regel ungefähr 2,6 Prozent des notwendigen Gesamtaufkommens.
Speaker 2:Und ist es ein Schlüssel, der dann für alle Mitgliedsländer gilt?
Speaker 1:Ja ja.
Speaker 2:Also, das heißt, 2,6 Prozent gilt für alle oder nein?
Speaker 1:Nein, nein. 2,6 Prozent gilt für Österreich.
Speaker 2:Für Österreich anhand der Bevölkerung.
Speaker 1:Bevölkerung, Wirtschaftsleistung, Gewichtung Deutschland liegt bei ungefähr 20 Prozent.
Speaker 2:Also wieder diese Zehnerpotenz?
Speaker 1:Ja nicht ganz, aber es hängt halt von verschiedenen Faktoren ab, aber das ist festgelegt, und insofern braucht man da eben dann nicht mehr verhandeln, oder nachverhandeln, braucht man da eben dann nicht mehr verhandeln oder nachverhandeln, und wie bzw wer legt dann fest, wohin diese Gelder fließen?
Speaker 2:Sie haben jetzt anfangs gesagt, es gibt sozusagen Fixposten, wie zum Beispiel die Landwirtschaft. Aber wenn die Kommission antritt, so wie jetzt ist ja Green Deal ein sehr großes Thema, digitalisierung Wie funktioniert das? Wie teilen Sie das dann als zuständiger Kommissar ein, dass Sie sagen, der Fixposten, den kann man ja auch gar nicht angreifen, landwirtschaft auf der anderen Seite, gerade bei der Landwirtschaft ist ja der Green Deal nicht ganz unwesentlich, weil sich das ja auch sehr stark auswirkt. Wie funktioniert das? Wie kann man sich das vorstellen?
Speaker 2:Oder kommt die Kommissarpräsidentin zu Ihnen und sagt ich habe jetzt diese fünf Themen, und ich brauche das und das, und das Geld dafür Würde ich auch nicht ausschließen, weil eben, wie gesagt, die aktuelle Kommission im Dezember 2019 angetreten ist.
Speaker 1:2020 waren die Verhandlungen für den aktuellen Budgetrahmen 2021 bis 2027, und daher die Zielsetzung der Fonderleihenkommission, in den grünen Übergang und in Digitalisierung zu investieren. In den grünen Übergang und in Digitalisierung zu investieren, hat sich insofern zeitlich gut ergeben, weil wir das unmittelbar in die Verhandlungen für die Mehrjahresfinanzrahmen einspeisen konnten.
Speaker 1:Und insofern passt das Grundsätzlich muss man sagen, in der Europäischen Union haben wir eben das Verfahren, dass die Kommission, die de facto quasi die Regierung Europas darstellt, das Vorrecht hat, gesetzesinitiativen vorzulegen, aber die Entscheidung treffen dann der Europäische Rat, sprich die Versammlung der Mitgliedstaaten und das Europäische Parlament. Also das Verfahren ist das. Gleiche gilt auch für das Budgetverfahren. Die Kommission macht einen Vorschlag, auf Basis dieses Vorschlages erarbeiten und beschließen die beiden Entscheidungsträger, rat und Parlament, jeweils für sich ein Verhandlungsmandat haben. Dann setzen sie sich gemeinsam mit der Kommission zusammen das nennt man Trilog und verhandeln dann eben diese Materie. Das gilt für das Budget, das gilt für anfangs gleich normale Gesetze, und wenn es dann zu einer Einigung kommt, dann wird das eben formal sowohl vom Plenum des Parlaments wie auch vom Europäischen Rat bestätigt.
Speaker 2:Jetzt sind Sie ja in den letzten Jahren diesbezüglich relativ oft gefordert worden, weil es sozusagen außernatürliche sage ich jetzt einmal nicht vorhersehbare Ereignisse gab, was das Budget betraf. Ich denke da an die Pandemie, also an alles, was mit Covid-Bekämpfung oder mit Covid-Umgang bedeutet. Migration ist nach wie vor ein großes Thema, und jetzt natürlich auch die Ukrainerhilfe, die uns ja auch sehr überrascht hat. Als Folgewirkung Werben diese eigentlich eh diese drei Themen auch. Merken Sie, dass es schwieriger ist, hier nachzuverhandeln, weil da auch sehr viel Ideologisches und Nationalpolitisches hineinspielt, weil das natürlich so als Vehikel verwendet wird, um gegen die EU und gegen die dort in der EU zu wettern, um sozusagen auch diesen Tendenz wieder zu dem Isolationismus und Nationalismus nachzugeben. Oder täuscht das jetzt von außen gesehen?
Speaker 1:Was ich offengestanden sehr kritisch sehe, ist, dass es so quasi ein informelles Dogma gibt, dass das europäische Budget nicht mehr als ungefähr ein Prozent der europäischen Wirtschaftsleistung haben darf. Nun, zunächst ist das, wie es ist, nur würde ich mir erwarten, dass wir uns gemeinsam mit der Frage beschäftigen was muss ich auf europäischer Ebene machen, angehen tun, um etwa sicherzustellen, dass der European Way of Life, unsere Art des Lebensstandards der Wohlfahrt, b&w of Life, unsere Art des Lebensstandards der Wohlfahrt, gesichert ist, auch in einem zunehmend globalen Wettbewerb? Und es gibt ja viele, die sagen, wir müssen aufpassen, dass wir nicht quasi zwischen China und den USA aufgerieben werden, also dass hier eigentlich ein Dreieck entsteht, wo an einer Ecke eben Europa ist. Und dann ist die Frage was ist dazu notwendig, dass ich das sicherstellen kann? Und wenn ich mich darüber verständige, dann sind die Budgetisten eigentlich gefordert, das mit Zahlen zu unterlegen, weil Budget bedeutet ja nichts anderes als die in Zahlen gegossene Politik. Und wenn das einmal feststeht, kann man sich dann der Frage nähern kann ich mir das leisten? will ich mir das leisten? wenn das nicht der Fall ist, wo kann ich Kürzungen vornehmen etc. Das wäre in meiner Denke die ganz normale rationale Herangehensweise.
Speaker 1:In der Politik ist die Rationalität eine etwas andere, und dort ist eben die Vorgabe 1% und schauen wir, was wir in die 1% hineinstopfen können. Und insofern haben wir immer wieder Schwierigkeiten, sozusagen das zu bedienen, was dann eigentlich allgemein gewollt ist. Also ich gebe Ihnen ein Beispiel Im Jahre 2020, wo wir eben die Verhandlungen für das europäische Budget durchgeführt haben, wurde im ersten Halbjahr von den Staats und Regierungschefs beschlossen, dass Frontex, eben unsere Agentur für den Außengrenzschutz, bis Ende 2027 auf bis zu 10.000 Mann, frau aufgestockt werden soll.
Speaker 1:Auf Basis dessen haben wir ein Budget erstellt, im Sommer 2020. Im Herbst haben dann die Regierungschefs damals die finnische Präsidentschaft einen adaptierten Vorschlag für den Mehrjahresfinanzrahmen gemacht, wo sie das von uns auf Basis des Beschlusses bis 10.000 Personen Frontex dieses Budget um 30% gekürzt haben, ohne dass aber der Beschluss adaptiert wurde.
Speaker 1:Also der Beschluss steht, das Budget wurde um 30% gekürzt. Damit kann man insofern leben, weil Gegenwert hat Frontex 2500 Mitarbeiterinnen. Aber es ist ein Beispiel, dass hier oftmals Beschlusslage und finanzielle Ausstattung nicht ganz zusammenpassen. Die Pandemie und der Krieg in der Ukraine waren natürlich und sind ganz außerordentliche Ereignisse gewesen, die eben mit dem traditionellen Budget nicht bewerkstelligt werden konnten. Und da haben wir in einer außerordentlichen Maßnahme Next Generation EU geschaffen. Das ist eigentlich ein spezielles Finanzierungsvehikel, das mit bis zu 800 Milliarden Euro dotiert war, das mit bis zu 800 Milliarden Euro dotiert war, dass einerseits den Mitgliedstaaten Zuschüsse geben sollten, andererseits auch die Möglichkeit, kredite zu bekommen mit den an sich sehr günstigen Konditionen, die die Union bekommt.
Speaker 1:Da können wir für ungefähr 20 Mitgliedstaaten bessere Konditionen bereitstellen als sie selbst am Kapitalmarkt, und dieses Instrument wurde geschaffen. Ich bin im Rahmen dessen zuständig für die Ausgabe von Anleihen, also für das Aufstellen der Mittel, und damit haben wir sichergestellt, dass der europäische Binnenmarkt, der unser größtes Asset ist, nach der Pandemie wirklich schnell hochfahren konnte. Und da wir heute in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich gut performende Volkswirtschaften haben, war es wichtig, dass wir hier Mittel bereitstellen, dass der Binnenmarkt gleichzeitig hochfährt. Ich gebe Ihnen ein Beispiel Es gibt die berühmte deutsche Autoindustrie. Österreich ist ein ganz wesentlicher Zulieferer, aber auch Österreich bekommt Vormaterialien, und wenn sozusagen diese Lieferkette nicht funktioniert, dann funktioniert das Ganze nicht.
Speaker 1:Und deswegen ist es wichtig, dass wir insgesamt helfen. Oder Österreich, insbesondere Wien, profitiert sehr stark, zum Beispiel auch im Städtetourismus von italienischen Touristen. Wenn wir hier Italien nicht auch geholfen hätten, dann hätte das zum Beispiel auch Auswirkungen auf den Tourismus gehabt, weil sich die Leute das nicht leisten können. Also so gibt es ein Zusammenspiel, und das haben wir finanziert mit Next Generation EU. Und jetzt bei der Ukraine war es auch wieder ganz wichtig, gerade gegenüber der Ukraine, aber auch gegenüber Putin und gegenüber anderen Unterstützern sicherzustellen, dass wir in der Tat die Ukraine unterstützen, auch finanziell, solange es notwendig ist, und deswegen haben wir dieses Mal eine sogenannte Midterm-Review gemacht für den mehrjährigen Finanzrahmen, schon nach drei Jahren, und das wurde vor kurzem beschlossen, wo es eben zu einer Aufstockung der Mittel gekommen ist, insbesondere für die Bereitstellung von Unterstützungsgeldern für die Ukraine.
Speaker 2:Ist eigentlich Einstimmigkeit notwendig oder nur Mehrstimmigkeit bei solchen Beschlüssen?
Speaker 1:Bei so umfassenden Beschlüssen ist Einstimmigkeit notwendig.
Speaker 2:Und das war die berühmte Geschichte, dass Orban den Saal verlassen hat. War das die Sache?
Speaker 1:Orban hat den Saal verlassen, um die Aufnahme der Beitrittsverhandlungen mit Ukraine und Moldawien zu ermöglichen, und er hat dann wenige Wochen später für die Bereitstellung der Mittel für die Ukraine zugestimmt.
Speaker 2:Wenn man Ihnen jetzt so zuhört, braucht man sich eigentlich gar nicht die Frage stellen, ob Sie noch ein anderes Portföl betreuen. Aber Sie haben in einem Vorgespräch schon kurz erwähnt, dass das ja nicht nur allein das Budget ist. Wofür sind Sie denn sonst noch zuständig? Das ist ja sehr beeindruckend. Ich bin zuständig, der.
Speaker 1:Einfachheit halber für alle zentralen Dienste. Im Englischen sagen wir immer für alle Enabling General Directorates, also die, die sozusagen die Arbeit der Fachgeneraldirektionen ermöglichen. Also, das umfasst neben dem Budget das Personal, die ganze IT, das umfasst aber auch unsere Übersetzung, dolmetscher, aber auch unser Verlags-Office, aber auch unser Verlags-Office. Wir haben ja im Vorjahr zum Beispiel 2,8 Millionen Seiten in 24 Amtssprachen übersetzt, übrigens nur möglich mit Artificial Intelligence. Wir haben unser eigenes Sprachübersetzungsprogramm entwickelt, das, wie mir Experten sagen, in den sozusagen entscheidenden, etwa juristischen Texten besser ist als Google da bin ich sehr stolz und ich bin auch für die ganze Infrastruktur zuständig.
Speaker 1:Also Fahrt wird mir nicht Also.
Speaker 2:Sie sind das Backbone, ein bisschen von der Europäischen Union.
Speaker 1:So ist es ja Das Rückgrat Der Oberhausmeister.
Speaker 2:Eine weitere Frage oder Begriffe, die immer wieder herumschwirren, ist der Begriff Nettoempfänger und Nettozahler. Was bedeutet das? Was heißt Österreich ist ein Nettozahler, Ungarn ist ein Nettoempfänger, zum Beispiel? Was heißt das? Was kann man sich darunter vorstellen?
Speaker 1:Also, es ist aus meiner Warte, und das hat schon mein Vorgänger Oettinger gesagt, der als Deutscher da auch unverdächtig ist eine überholte Kategorisierung. Aber darunter wird verstanden, dass der Nettozahler mehr einzahlt, als er zurückbekommt, und der Empfänger umgekehrt.
Speaker 1:Die Sache ist deswegen überholt, weil eben gerade die sogenannten Nettozahlerländer vom Binnenmarkt viel stärker profitieren als die Empfängerstaaten, weil sie eben eine viel reifere, entwickeltere, export, auch innerhalb des Binnenmarktes exportorientiertere Wirtschaft haben. Also man kann sagen, dass ein Nettozahler für einen Euro, den er in den Binnenmarkt einzahlt, ungefähr 10 bis 11 zurückbekommt und ein Empfänger 5 bis 7 Euro. Also zum Beispiel Polen, das ja der größte Empfänger ist, gegenwärtig, zum Beispiel auch bei den Strukturfondsmitteln, bei den Regionalfondsmitteln. Wir haben einmal eine Studie gemacht vor Jahren, wo zum Beispiel Deutschland, deutsche Unternehmen auf Basis eines eingezahlten Euros 89 Cent in Form von direkt zuordnbaren Aufträgen zurückbekommen haben.
Speaker 1:Und das ist etwas, was sozusagen direkt zuordnbar ist. Dann brauchen wir von Umwegrentabilität gar nicht rechnen, ist auch wahrscheinlich gar nicht so darstellbar. Aber in Summe kann man sagen, diese Kategorisierung ist überholt, wird aber für die politische Debatte heute immer noch verwendet, weil die Nettozahler eben sagen, wenn ich da mehr einzahle will ich auch, dass die politische Gestaltungsmacht eher auf meiner Seite ist.
Speaker 2:Es ist interessant, weil Sie vorhin Oettinger erwähnt haben. Ist Ihr Portfolio das gleiche wie bei Ihrem Vorgänger, oder hat sich das verändert?
Speaker 1:Nein, es ist größer geworden. Das Land ist kleiner, und die Fahrt wird dann größer. Und ja, ich kenne natürlich den Laden, kann man sagen, in und auswendig, da kann man verschiedene Dinge auf sich schultern, und dann geht es trotzdem. Man braucht auch ein tolles Team. Also, ich habe ja ein Kabinett, das im Wesentlichen die gleiche Größe hat wie jene Kommissare, die nur eine Generaldirektion haben.
Speaker 2:Also da brauchst du schon gute Leute die da auch sehr sachkundig agieren. Vorhin haben Sie noch den Begriff Kohäsionspolitik genannt, der auch immer sehr oft im Zusammenhang mit der Europäischen Union fällt.
Speaker 1:Können Sie das noch ein bisschen näher erörtern und auswählen, was das heißt, weil es ja für viele schon ein Brennwort ist, das nicht nachvollziehbar ist, also das Ganze hat, glaube ich, sich entwickelt auf Basis eines seinerzeitigen Vorschlags von Jacques Delors, legendärer Kommissionspräsident, der jetzt im gesegneten Alter von 98 Jahren vor kurzem verstorben ist Wir reden von Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre gestorben ist. Wir reden von Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre, Und die Idee war, den unterschiedlichen Entwicklungsstand der europäischen Regionen sukzessive zu verringern und sozusagen auszugleichen. Wir hatten das in Österreich, muss man sagen, in der Vergangenheit, dass etwa das Burgenland nicht so gut entwickelt war wirtschaftlich wie etwa Vorarlberg. Heute gehört Österreich vermutlich neben den Niederlanden und vermutlich Dänemark zu jenen Mitgliedstaaten, wo es kaum Unterschiede zwischen den Regionen gibt. Das ist aber nicht der Fall in Resteuropa, Und deswegen ist eigentlich die Zielsetzung dieser sogenannten Koalitionspolitik, die weniger gut entwickelten Regionen stärker an den Durchschnitt heranzuführen.
Speaker 1:Das ist eine, möchte ich fast sagen, süße Fußarbeit, weil zum Beispiel im Zuge von Krisen es in der Regel immer wieder zu einem Auseinanderdriften kommt und erst quasi in Nicht-Krisenzeiten man an einer Zusammenführung arbeiten kann.
Speaker 2:Das war jetzt die letzten Jahre, nicht wirklich, oder?
Speaker 1:Also zum Beispiel eine ganz wesentliche Konsequenz ist etwa ein Brain-Train. Wir haben ja eine demografische Entwicklung in Europa, die nicht zufriedenstellend ist. Das heißt, menschen versuchen, von Osteuropa, südosteuropa nach Westeuropa, nordwesteuropa, jedenfalls berufsmäßig, zu emigrieren, weil dort die Möglichkeiten besser sind, und das führt dazu, dass wir eben einen Bevölkerungsabfluss haben. Etwa, die baltischen Staaten, haben seit ihrem Beitritt vor 20 Jahren 20 Prozent der Bevölkerung verloren. Ähnliche Zahlen haben sie in Südosteuropa etc. Das sind dann auch in der Regel die dynamischsten Teile einer Gesellschaft, und das ist im wahrsten Sinne des Wortes nicht gesund. Das heißt, erfolgreiche Koalitionspolitik führt auch dazu, dass Menschen wieder zurückkehren.
Speaker 1:Oder nicht weggehen Oder nicht weggehen weil wir umgekehrt wissen 80 Prozent der Menschen wollen eigentlich dort leben, arbeiten und am Ende sozusagen auch sterben, wo sie geboren wurden. Das nennt man sinngemäß Heimat, und insofern wäre es eine Win-Win-Situation für alle, wenn wir das eben ermöglichen. Daran gilt es, ständig zu arbeiten, und das ist eigentlich die Aufgabe, der zentrale Ansatz der Koalitionspolitik.
Speaker 2:Sie waren vor dem jetzigen Kommissariat Erweiterungskommissar. Jetzt haben wir drei neue Beitrittskandidaten Moldawien, ukraine und Bosnien-Herzegowina. Was müssen denn? es gehen immer sehr stark die Wogen hoch, sage ich jetzt mal vorweg von meiner Frage, wenn sich sozusagen jemand neuer bewirbt, mit unterschiedlichen Motiven. es werden kulturelle Aspekte eingebracht, soziale Aspekte, aber was muss denn ein Land, das beitreten will oder beitreten, dann darf oder dann beitritt mitbringen seitens der Europäischen Union? Wie funktioniert so ein Prozess? Weil das ist ja nicht etwas, was ich sage, ich will heute, da reiche ich das ein, und in zwei Monaten bin ich bei der EU. Das ist eine langwierige Geschichte.
Speaker 1:In der Tat. Also, die müssen verschiedene Kriterien erfüllen, etwa im Rechtsstaatsbereich. Es ist auch notwendig, sukzessive eine Identität in außenpolitischen Fragen mit der außenpolitischen Beschlusslage der Union herbeizuführen. Also, wenn Sie wollen, zum Beispiel jetzt aktuell die Sanktionen gegen Russland mitzutragen, gibt es eben verschiedene Beispiele, und dann ganz wesentlich ist natürlich, dass sich eben ein Land sukzessive anpassen. Also, es sind eine Fülle von Schritten, von Maßnahmen notwendig. Es gibt, die Verhandlungen finden in verschiedenen Kapiteln statt. Ich will da gar nicht so sehr in die Detail gehen, aber es können einzelne Kapitel abgeschlossen werden, aber am Ende ist entscheidend, dass es eine Zustimmung zu allen Kapiteln gibt, und dann kann eben ein entsprechender Beitritt erfolgen.
Speaker 2:Ist die Türkei ein künftiger Beitrittskandidat? jetzt, unabhängig von Erdogan, gehört die Türkei zur Europäischen Union.
Speaker 1:Das ist eine gute Frage, weil an sich der Großteil der Türkei ja nicht auf europäischem Territorium ist. Die aktuellen Beitrittsverhandlungen muss man ganz offen sagen sind eingefroren. Ich glaube, dass das auch ein Zustand ist, der noch viele Jahre anhalten wird. Die Union, denke ich, muss sich jetzt darauf konzentrieren, jene Erweiterungen vorzunehmen, die machbar sind, die realistisch sind, die quasi auch zum Portfolio passen. Aber dazu ist es auch notwendig, dass wir intern uns institutionell so aufstellen, dass wir in der Zukunft eben auch agieren können. Das ist für mich das wesentliche Schlagwort. Agieren Macht ehrlich gesagt keinen großen Unterschied, ob du 27 oder 33 Mitglieder hast. Fakt ist, wenn die Union und das ist immer mehr eine Herausforderung ein globaler Akteur sein will, wo wir in bestimmten Bereichen eben First Mover sind und nicht First or Second Follower, dann bedarf es auch des institutionellen Settings, sprich, wie schnell können wir Entscheidungen treffen? Konsequenz eben Abkehr vom Einstimmigkeitsprinzip in vielen Bereichen, nicht in fundamentalen. Etwa die Frage, ob jemand Mitglied werden soll oder nicht, ist auch für mich eine. Wo in Hinkunft Einstimmigkeit erforderlich ist oder nicht, ist auch für mich eine wo in.
Speaker 1:Hinkunft Einstimmigkeit erforderlich ist, Aber die vielen Schritte bis dahin bedürfen meines Erachtens nicht der Einstimmigkeit. Also, wie ich Nachbarschaftskommissar war, Erweiterungskommissar es wurde dann ein bisschen die Methodologie geändert. Da bedurfte es haben wir einmal ausgerechnet bis zu 200 Entscheidungen, um sozusagen dann zum entscheidenden Punkt zu kommen Mitgliedschaft ja oder nein. Und da sage ich, 198 davon sind nicht notwendigerweise einstimmig zu treffen. Also, der Beginn und das Ende ja, aber nicht dazwischen. Und so gibt es viele Beispiele, Und ich denke, da muss die Europäische Union unter den jetzt 27 Mitgliedern auch eine institutionelle Adaptierung vornehmen.
Speaker 2:Hat der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine die Möglichkeit des Beitritts beschleunigt? Oder war Ukraine immer schon einer der nächstmöglichen Beitrittskandidaten für die Europäische Union? Weil die Ukraine ja so ein bisschen jetzt als Bollwerk genannt wird für liberale Demokratie, rechtsstaatlichkeit. Ist sie das überhaupt? abgesehen davon, dass sie ein souveräner Staat natürlich ist? Aber ist sie das wirklich? Ist sie so liberale Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, dass das jetzt sozusagen gerechtfertigt ist? Ich formuliere das wirklich provokant.
Speaker 1:Ja, ja, und mit Recht. Kandidat war die Ukraine quasi schon immer. Ich denke, dass der oder es ist Fakt, dass der Krieg eine Dynamik ausgelöst hat, Denn es war, glaube ich, wichtig. was die Ukrainer die letzten Jahre, mindestens zehn Jahre, geleistet haben, waren sozusagen Vorgaben in Hinblick auf die europäische Perspektive. Also der Maidan war klar der Aufstand der Pro-Europäer gegen das Diktat Putin, seinerzeit einen Vertrag mit Europa nicht abzuschließen, der dann nach dem Aydan abgeschlossen wurde, der auch dazu geführt hat, dass viel mehr Wohlstand, Rechtsstaatlichkeit in der Ukraine Eingang gehalten hat. Insofern ist das absehbar, was die Perspektive der Ukraine ist. Aber ich gebe zu, der Krieg hat eine Dynamik hier ausgelöst. Das ändert aber nichts daran, dass die Beitrittsverfahren nach wie vor die gleichen sind. Das Land hat zu liefern, aber es war und ist wichtig, den kämpfenden und Widerstand leistenden Ukrainerinnen und Ukrainen eine.
Speaker 2:Perspektive zu geben, auch wofür sie kämpfen Kommissariat zurück, nämlich Regionalpolitik, glauben Sie dass? es es gibt ja auch immer das Schlagwort Europa der Regionen. Sie haben das vorhin auch im Zusammenhang mit der Koalitionspolitik genannt. Wien liegt ja auch in so einer, der Donauraum ist ja so ein klassisches Regionaldenken, sage ich jetzt einmal, weil ja die Donau viele Länder durchfließt. Hat dieses Europa der Regionen, dass die nationalen Grenzen zugunsten, dass die nationalen Grenzen zugunsten dieser regionalen Grenzen verschwinden, hat das überhaupt eine Daseinsberechtigung, eine Chance? oder ist das etwas, wo sich auch die Waage halten muss, um auch keine Ängste zu schüren, dass irgendwann einmal die österreichische Grenze verschwindet?
Speaker 1:keine. Ängste zu schüren, dass irgendwann einmal die österreichische Grenze verschwindet. Sehr pragmatisch gesagt, ich hatte seinerzeit immer schon meine liebevollen Diskussionen mit dem Robert Menasse, der ja da ein großer Verfechter der Abschaffung der Nationalstaaten und ein Europa der Regionen der Nationalstaaten und ein. Europa der Regionen. Und ich habe damals gesagt bei aller Liebe, wir haben in Europa also damals ich nehme an, da hat sich nicht viel geändert 275 Regionen. Also das ist der Traumzustand eines jeden Verantwortlichen, dass er eigentlich keine Eigentümer hat. Weil das 275 sich auf irgendwas einigen ist unwahrscheinlich.
Speaker 1:Also, ich habe zwar dafür Verständnis, weil ich mich möglicherweise einmal am Tag über irgendwelche Probleme mit unseren Mitgliedstaaten ärgere, aber wenn ich jetzt einmal diese persönliche Emotion beiseiten lasse, dann stellt sich natürlich die Frage wie komme ich zu Entscheidungen, wie komme ich zu Beschlüssen? und da brauchst du eben eine Struktur wie die Mitgliedstaaten. Vielleicht kann man dann in der Zukunft weil Sie Donauraum erwähnt haben wir haben ja verschiedene makroregionale Strategien. Sie haben heute schon in vielen Bereichen oft informelle Zusammenarbeiten, etwa die Benelux-Staaten sehr historisch die skandinavischen Staaten, wie wir sagen, der Club Med.
Speaker 1:Es hat Visegrad gegeben das ja jetzt aus bekannten Gründen unter die Räder gekommen ist, aber ich denke, dass zum Beispiel der Donauraum eine interessante Substruktur ist. Also, es könnte durchaus sein, dass zum Beispiel der Donauraum eine interessante Substruktur ist. Also, es könnte durchaus sein, dass wir in der Zukunft hier unter selbstverständlicher Beibehaltung der Nationalstaaten das ist überhaupt kein Thema hier so Substrukturen haben, regionale Familien, die in sich ähnliche Voraussetzungen, bedingungen haben und dann zu vielen Fragen, eben die auf europäischer Ebene zu klären sind, ähnliche Sichtweisen entwickeln, was dann vielleicht auch den Entscheidungsfindungsprozess erleichtern könnte.
Speaker 2:Um jetzt die Eselsbrücke zu schlagen, sozusagen think local, act global, globally. Die EU als Global Player. Jetzt haben Sie schon am Anfang erwähnt, dass immer mehr die Stimmen sich erheben und sagen die EU droht ein bisschen zwischen China und USA zu geraten, wirtschaftlich, auch demografisch, in weiterer Folge natürlich auch was den Wohlstand betrifft, weil wir sind ja ein Wohlstandsprojekt als Europäische Union. Jetzt kommt jüngst auch noch die Tatsache hinzu, dass wir eigentlich das erste Mal als Europäische Union mit der Frage der Verteidigung oder sind wir eine Verteidigungsunion? brauchen wir ein Verteidigungsinstrument? Wie sehen Sie das?
Speaker 2:Ist das jetzt auch wieder in Ihrem Amt als Budgetkommissar? Gibt es überhaupt ein Verteidigungsbudget? Gibt es etwas, was die Europäische Union als Global Player auch, weil es ja auch eine Frage ist, es geht ja nicht nur um das militärische Rüstzeug, sondern auch um das ideelle Rüstzeug als sich als Verteidiger der liberalen Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit ziehe weil ich sage jetzt nur als Abschluss wenn Trump die Wahl gewinnen sollte, im November bleiben wir übrig, aber das ist als positiv konnotiert als diejenigen, die so ein bisschen die Speerspitze für liberale Demokratie, freiheit und Rechtsstaatlichkeit sind, oder ist das jetzt zu polemisch?
Speaker 1:die Freiheit und Rechtsstaatlichkeit sind. Oder ist das jetzt zu polemisch? Nein, aber zunächst einmal muss man in der Tat festhalten, dass Trump hin oder her, das ist natürlich nicht unmaßgeblich, keine Frage das demokratische Gesellschaftsmodell global gesehen ein Minderheitenprogramm darstellt. Also je nachdem, wie man das kategorisiert, 60, 70 Prozent der Staaten dieser Welt sind in mehr oder weniger einer autoritativen Regierungsverfassung, und die Mehrzahl der wirklichen Demokratien sind in Europa angesiedelt. Also das ist keine Frage. Daraus abgeleitet die Frage, die jetzt sehr, sehr aktuell ist die Weltordnung. Wie schaut die Weltordnung aus? Bisher sind wir eigentlich davon ausgegangen, es ist eine regelbasierte Weltordnung, basierend auf Verträgen, vereinbarungen, regeln, die einzuhalten sind. Wenn sie nicht einzuhalten sind, also gehalten werden, dann gibt es sozusagen einen Richter, und dieses Urteil wird aber dann anerkannt.
Speaker 1:All das ist ganz massiv unter Druck geraten von den verschiedensten Ansatzpunkten, ob das jetzt Russland, china, das nicht funktionierende Welthandelsorganisation ist, die Entwicklung der UNO etc und ihrer Suborganisation. Also, da ist einiges in Bewegung geraten, und hier ist es tatsächlich entscheidend, dass Europa eine federführende Rolle spielt in der Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung, wenn Sie so wollen, dieser regelbasierten Weltordnung. Es ist dazu zu sagen, dass es gar nicht so wenige Länder auf der Welt gibt, die hier durchaus ein Interesse haben, dass es eine regelbasierte Weltordnung gibt, vor allen Dingen jene, die es muss ehrlicherweise nicht notwendigerweise immer eine lupenreine Demokratie sein, aber die, die eben nicht eine militärische Kraft darstellen, die haben natürlich ein Interesse daran, dass es eine Weltordnung gibt, die aufgrund politischer Entscheidungsfindungen etc. Stattfindet und nicht, wo die Macht des Stärkeren das Recht darstellt, sondern umgekehrt sollte es sein. Zum Beispiel gibt es die Asienstaaten, die ein erhebliches Interesse daran haben, eine, soweit es geht, äquidistanz zu China zu bewahren. Pazifischer Raum von großer Bedeutung. In Afrika sind viele Staaten draufgekommen, dass die Präsenz von China nicht unbedingt zu ihrem Vorteil gerecht.
Speaker 1:Südamerika gibt es viele Potenziale. Daher ist es aber auch wichtig das sage ich gerade sozusagen hier in Österreich dass wir die Weiterentwicklung von internationalen Handelsverträgen aktiv gestalten.
Speaker 2:Die Freihandelszonen sind da ganz wichtig, oder Ich?
Speaker 1:meine ich sage Ihnen das offen die Verträge, die wir heute schließen, schließen wir aus europäischer Sicht zu Konditionen, die wir in 10 Jahren nicht mehr kriegen, geschweige denn in 20 Jahren. Also, was wir heute unter Dach und Fach bringen können, sollten wir tun In unserem ureigensten Interesse. Da geht es auch um die Bereitstellung von Rohmaterialien etc zum Funktionieren unserer Wirtschaft, aber auch zur Weiterentwicklung eben unserer gesellschaftlichen Ordnung. Und für das alles ist es notwendig, dass wir eben auch die Instrumente an der Hand haben, um global zu agieren. Dazu ist bis zu einem gewissen Grad auch Geld notwendig. Aber Ihre Frage war ja noch der Sicherheitspolitik.
Speaker 1:Es beginnt einmal damit es gibt keine Außenpolitik und eine Sicherheitspolitik. Nun, die Frage ist, in welcher Art und Weise europäische Sicherheitspolitik sich darstellen kann. Wir haben in der letzten Finanzperiode von 2014 bis 2020 das erste Mal so etwas wie ein Verteidigungsbudget im Ansatz gehabt. Wir haben jetzt ein größeres. Wir haben jetzt gerade mit der Mittelfristrevision des aktuellen Budgetrahmens wieder 1,5 Milliarden dazu bekommen. Es ist nur wichtig, festzuhalten, entsprechend unseres aktuellen Vertrags, sich festzuhalten, entsprechend unseres aktuellen Vertrags, dem Vertrag von Lissabon können wir mit dem EU-Budget nicht selbst in die Waffenproduktion einsteigen?
Speaker 2:Das wollte ich gerade fragen. wenn Sie jetzt von einem verteidigungsbudget unter Anführungszeichen sprechen, wohin geht das? Geht das in die Mitgliedsländer, um die nationalen Heere aufzurüsten? Also, es geht in die Richtung.
Speaker 1:das ist die Zielsetzung der gemeinsamen Entwicklung von Waffensystemen, aber auch des gemeinsamen Einkaufs, denn wenn Sie sich die nationalen Verteidigungsbudgets anschauen und sie addieren, dann gibt Europa gar nicht so wenig aus. Nur, die Effizienz ist direkt proportional zu den aufgewendeten Mitteln. Wir haben zum Beispiel in Europa, glaube ich an, die 17 verschiedenen Panzersysteme, die USA kommt mit einem aus. Wir haben, obwohl wir fünf Binnenstaaten haben, 29 verschiedene Kreuzer und Zerstörersysteme im Marinebereich. Also wir haben eine unglaubliche Fragmentierung, und das führt natürlich auch dazu, dass diese Systeme untereinander schwer kommunizieren können, dass du geringe Losgrößen hast, was wiederum die Einzelpreise hebt. die Maintenance, die Servisierungskosten sind viel höher, wenn ich verschiedene Systeme habe. Also es ist eine sehr ökonomische Herangehensweise, wo wir sagen, es wäre sinnvoll, wenn wir hier uns auf die Entwicklung was wir zum Teil schon jetzt gestartet haben einzelner Systeme konzentrieren.
Speaker 2:Zur Vereinheitlichung, wie es ja auch schon im Bahnsystem oder bei Blaufunk oder so passiert oder Auch da. Das sind alles.
Speaker 1:Bereiche, wo ein bisschen sage ich einmal auch die Europäische Kooperation in den Kinderschuhen steht. Aber in die Richtung muss es am Ende des Tages gehen, Und ich glaube, auch wenn einem das nicht sympathisch ist, ich glaube, wir würden uns alle wünschen, dass es eine Welt ohne Waffen gibt. Das ist aber jedenfalls gegenwärtig und auf absehbare Zeit ein Wunschdenken. Und dann stellt sich aber die Frage wer produziert das und wer liefert es? Und ehrlich gesagt ist es mir lieber eine demokratische Struktur wie Europa stellt nach bestimmten Regeln auch Waffen bereit, als zum Beispiel eine Diktatur wie Russland, die dann aber auch die entsprechenden Länder, die sie beliefert, abhängig macht. Denn ich kann nicht im Supermarkt irgendein Produkt aus dem Regal raus und ein anderes rein, sondern da entstehen Abhängigkeiten. Schlägt sich dann etwa nieder auch im Abstimmungsverhalten bei der UN-Generalversammlung und so weiter und so fort. Also, es gibt hier verschiedenste Dimensionen eine innereuropäische, was die Effizienz anbelangt, die Souveränität, aber auch, wenn Sie so wollen, international, dass wir hier auch ein Akteur sind, und sozusagen. Die Rüstungsindustrie ist international gesehen ein entscheidender politischer, diplomatischer Faktor, phänomatischer Faktor.
Speaker 2:Noch eine Abschlussfrage Jetzt gehen 15 Jahre, kommissar Hahn, ohne jetzt Portfolio genannt, zu Ende. Ist da auch eine Wehmut dabei? Und was wünschen Sie sich, wie soll die EU in 15 Jahren aussehen, also nach einem? oder was wünschen Sie der EU, wie sie sich weiterentwickeln, so wenn ich das so naiv fragen darf.
Speaker 1:Naja. Also, es wird sicher irgendwann einmal eine Art von Wehmut stattfinden, noch ist sie nicht da.
Speaker 1:Momentan ist die Vorfreude auf einen neuen Lebensabschnitt sehr groß, aber es ist Zeit, dass jetzt andere die Stafette übernehmen. Mein Wunsch ist es eben, dass wir uns jetzt so weiterentwickeln, dass Europa wirklich ein internationaler Akteur ist, und zwar ein agierender Akteur und nicht ein reagierender, dass wir uns in der Richtung aufstellen, dass hier auch ein ein vernünftiges, eine vernünftige Relation zwischen den Verantwortlichen auf Mitgliedstaatenebene und auf europäischer Ebene ist. Momentan habe ich ja oft den Eindruck, dass wir, um in der Fußballersprache zu reden, eigentlich nur lauter Defensivspieler am Feld haben und keine Stürmer, und der Lieber Ja, aber irgendwer muss ja die Tore schießen.
Speaker 1:Also das ist ganz wichtig, dass hier ein Verständnis einkehrt. Bestimmte Zuständigkeiten sind halt nur auf europäischer Ebene sinnvoll anzusiedeln, aber nicht alle. Wir haben ja zum Beispiel ein völlig friktionsfreies Verhältnis mit unseren Regionen. Aber vergessen Sie nicht, vor 120 Jahren um 1900, hat Europa ungefähr ein Viertel der Weltbevölkerung ausgemacht. Jetzt stehen wir bei 5-6 Prozent, tendenz weiter abnehmend. Also hier muss man sich schon die Frage stellen, in welchem Setting auch als einzelner Mitgliedstaat kann ich meine Interessen besser wahrnehmen. Also diese Idee, ausgerechnet in Österreich Grenzen hochzuziehen, zäune zu errichten, wie immer Sie es nennen wollen, ist nicht nur ein Schwachsinn, es ist auch gefährlich. Sie gefährden unseren eigenen Lebensstandard. Wenn Sie sich Österreich anschauen Österreich wird von acht Staaten umgeben.
Speaker 1:Deutschland ist das einzige Land mit mehr Nachbarn neben neun. Alle anderen, das große Frankreich, das große Italien haben weniger Nachbarn. Also wenn wir, die sozusagen in der gefüllten Mitte Europas liegen, nicht ein Interesse haben an einem funktionierenden Europa, sage ich ganz offen, wer denn dann? Und wenn jeder zweite dritte Arbeitsplatz eben davon abhängig ist, dass der Binnenmarkt funktioniert, dass Europa international eine Relevanz darstellt, dann ist das Gegenteil davon, nämlich dieser nationalpopulistische Ansatz nicht nur gefährlich, sondern der gefährdet im wahrsten.
Speaker 1:Sinne des Wortes unseren Wohlstand, und alles andere ist das Gegenteil, und dessen sollte man sich eigentlich bewusst sein. Das heißt, es geht darum, auch jetzt bei der Europawahl zu diskutieren wie kann ich Europa mitgestalten, wie kann ich die österreichischen Interessen in einem proaktiven Sinn in die Debatte einbringen? Und da haben wir alle Möglichkeiten, alle Voraussetzungen. Es liegt an den handelnden Akteuren, diese Möglichkeiten wahrzunehmen.
Speaker 2:Herr Doktor Anders, das war ein wunderbarer Abschluss, da muss ich mir kein Abschlusswort mehr überlegen. Ich bedanke mich sehr herzlich für Ihr Interesse. Das war die letzte Folge von Hoppe redet. Ich kann mich nur den Worten von Kommissar Hahn abschließen. Bitte gehen Sie wählen Anfang Juni, 9. Juni ist es, glaube ich, bei uns. Europa braucht Sie, europa braucht Ihre starke Stimme, und vor allem Europa braucht Ihre richtige Stimme. Herzlichen Dank.